Im Jahre 2024 sind es 200 Jahre her, dass der junge Düsseldorfer Student Heinrich Heine – gerade 27 Jahre alt – seine Wanderung durch den Harz unternommen hat.
Heinrich Heine beschreibt in dem Reisebericht seine Wanderung als Student durch den Harz über den Brocken bis nach Ilsenburg. Er schildert die Landschaft, aber er begegnet dabei auch bekannten und unbekannten Zeitgenossen, die er mit anderen Personen teilweise eher kritisch, meist aber humorvoll vergleicht.

Nachdem man wie Heine von Düsseldorf kommend Göttingen wieder verläßt und über Bovenden, Nörten, Northeim den Harz in Osterode erreicht, dann hat man vom Uerder Berg aus den gleichen Ausgangspunkt für eine Harzreise wie damals im Herbst des Jahres 1824 der junge Heinrich Heine. Auch heute noch ist es trotz Veränderungen beeindruckend, wenn man von dort auf Osterode und den Harz schaut.

Heinrich Heine übernachtete in Osterode und machte sich am nächsten Morgen auf seinen Weg in Richtung Clausthal.
Zuvor besuchte er noch die „Alte Burg“, nach Heines Schilderung schon damals nur noch die Hälfte eines großen, dickmaurigen, wie von Krebsschäden angefressenen Turmes. Über die Alte Harzstraße gelangte er sodann auf die erste Anhöhe über der Stadt. Er schaute noch einmal hinab ins Tal, „wo Osterode mit seinen roten Dächern aus den grünen Tannenwäldern hervorguckt wie eine Moosrose“.
(c) Friedrich Armbrecht, Osteroder Echo vom 02. Juli 1981


Auf der Alten Harzstrasse, ein uralter Transportweg auf dem Bergrücken in den Oberharz, erreichte er die Anhöhe bei Lerbach.
„Ein kleiner Junge, der für seinen kranken Oheim im Walde Reisig suchte, zeigte mir das Dorf Lerbach, dessen kleine Hütten, mit grauen Dächern, sich über eine halbe Stunde durch das Tal hinziehen. … Der kleine Junge stand mit den Bäumen in gar eigenem Einverständnis; er grüßte sie wie gute Bekannte, und sie schienen rauschend seinen Gruß zu erwidern. Er pfiff wie ein Zeisig, ringsum antworteten zwitschernd die anderen Vögel, und ehe ich mich versah war, war er mit seinen nackten Füßchen und seinem Bündel Reisig ins Dickicht fortgesprungen.“ – (c) Heinrich Heine, Die Harzreise
Den damals bekannten Reiseführer „Gottschalcks Taschenbuch für Reisende in den Harz“ hatte nach eigenen Angaben auch Heinrich Heine auf seiner Harzwanderung dabei. Denn dieser Reiseführer enthält fast wörtlich die gleichen „fragwürdigen“ Passagen über Lerbach und seine Bewohner, wie sie Heine – ohne Quellenangabe – erwähnt hat und ohne die Fakten im Lerbachtal selber geprüft und festgestellt zu haben.

Dritte verbesserte Auflage mit Karte.
<Magdeburg> bei Wilhelm Heinrichshofen 1825


mehr unter: https://www.google.de/books/edition/Taschenbuch_für_Reisende_in_den_Harz/B9RDAAAAYAAJ?hl=de&gbpv=1&pg=PA1&printsec=frontcover
oder die überarbeitete Version mit Vorwort Dr. Uwe Lagatz:
https://www.schmidt-buch-verlag.de/titel/taschenbuch-fuer-reisende-in-den-harz/#
Diese Reisebuch-Auszüge lese ich so, als ob Gottschalck seine Angaben über Lerbach nicht selber festgestellt, sondern auch nur erzählt bekommen hat.
Die damaligen Lerbach-Beschreibungen sowohl von Friedrich Gottschalck als auch Heinrich Heine kann man nicht ändern, aber einige Relativierungen sind sicherlich angebracht, da dem Lerbachtal seit langer Zeit ein überzogen falscher Ruf anhaftet.
Was für ein Versäumnis, daß Heinrich Heine dem Dorf Lerbach offensichtlich nur einige Zeilen und nur wenige AugenBlicke von oben aus der Höhe gegönnt hat. Wahrscheinlich von der Alten Harzstrasse aus, wo früher eine Bank am Wildgatter stand und heute ungefähr dort, wo die webcam die Aussicht auf das Tal bietet – diese Aussicht könnte demnach also auch „Heinrich-Heine-Blick“ genannt werden.

Unten im Tal und an den Hängen durchlebten die Lerbacher damals eine besonders harte Zeit. Zwischen dem 16. und bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde im Harzer Diabaszug, der sich von Osterode bis Bad Harzburg quer über den Harz hinzieht, ein mühevoller Erzbergbau betrieben.


Und an den Lerbacher Hängen war eine besondere Mächtigkeit an Erzen vorhanden und erzeugte einen intensiven Erzabbau. Dazu kamen weitläufige Waldarbeiten für die Holzkohleherstellung durch Köhlereien unter unsagbar harten Arbeits- und Lebensbedingungen.

Der damals 27-jährige Heinrich Heine war gerade am Beginn seines Jura-Studiums, interessierte sich aber schon deutlich mehr für die Dichtkunst. In dieser vorindustriellen Zeit hatte Heine noch nicht die spätere Lebenserfahrung und zeitkritischen Gesprächspartner erlebt wie später mit Ferdinand Lassalle, Karl Marx, Friedrich Engels, u.a.. Sonst hätte Heine wohl auch die damaligen drastischen Lerbacher Lebensverhältnisse besser erkannt, mehr beachtet und damals schon sehr sozialkritisch beschrieben.
Hätte Heine dieses schöne Tal mit den kleinen Seitentälern und seine Höhen und Ausblicken, also diese vielfältige Landschaft wirklich kennengelernt, dann würde er seine fremdgeschilderte Lerbach-Erwähnung ändern und ausführlich neu formulieren müssen.





Aber dann wäre das Lerbachtal heute durch Heinrich Heines „Harzreise“ erheblich populärer und nicht mehr dieses heutige „verborgene Juwel im Harz“.
Offensichtlich ist Heine also auf der damals natursteingewachsenen Alten Harzstrasse in den Oberharz an Lerbach vorbei bergauf auf den Höhen am Prinzenteich und der Ziegelhütte vorbei Richtung Clausthal gewandert.

Als nächstes berichtet Heine schon von Clausthal und seinen weiteren Beobachtungen von Mensch und Natur auf der Harzwanderung.
Wer weiter über Heines Harzwanderung lesen möchte, dem sei das folgende Buch empfohlen:

Die Harzreise – Heinrich Heine, Anaconda Verlag
Heinrich Heines Harzreise ist längst ein literarischer Klassiker – und, dessen unbeschadet, das wohl vergnüglichste und beliebteste Werk des großen Dichters.
Im Herbst des Jahres 1824 beginnt er seine Reise als 27-Jähriger in Göttingen, jener Stadt, die berühmt ist durch ihre „Würste und Universität“ und wandert binnen mehrerer Wochen über den Brocken bis hinauf zum Ilsenstein.
Passagen genussvoll beißender Spottlust über das who is who seiner Zeit wechseln sich ab mit häufig zart–poetischen Natureindrücken und machen Heines „Harzreise“ zu einer bis heute erfrischenden Lektüre.
Heines „Harzreise“ erschien zuerst 1826 als Teil 1 der „Reisebilder“ bei Hoffmann und Campe in Hamburg. … Der Text wurde inzwischen unter Wahrung von Lautstand, Interpunktion sowie sprachlich-stilistischer Eigenheiten der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.
Viel Freude beim Lesen wünscht
Wolfgang Gärtner, Düsseldorf